Mit Steuern steuern

Als vor Kurzem das Umweltbundesamt (UBA) in einer Broschüre gefordert hatte, die Mehrwertsteuer auf Milch- und Fleischprodukte zu erhöhen, war die öffentliche Aufregung groß. „Fleischverbot, Bestrafung von ärmeren Menschen, weltfremd, etc.“ Vieles wurde den Verfassern der Broschüre von Medien, Politik und Verbänden entgegengeschleudert.

Ich bin dem Ganzen mal nachgegangen und mir sind dabei zunächst zwei Dinge aufgefallen. Erstens ist die Begründung des UBA für die Forderung nach höheren Steuern in den meisten Berichten rund ums Thema komplett unter den Tisch gefallen: In Deutschland ist die Landwirtschaft Hauptverursacher der klimaschädlichen Gase Lachgas und Methan, wobei ein Großteil bei der Tierhaltung anfällt. Zweitens ist die Gegenforderung des UBA auch meist verschwiegen worden: Nämlich die Steuern auf Obst und Gemüse sollten reduziert werden. Bislang liegt der Steuersatz auf Fleisch- und Milchprodukte sowie Obst und Gemüse bei 7 Prozent und ist damit ermäßigt. Das UBA schlägt vor, Fleisch- und Milchprodukte mit 19 Prozent zu besteuern und Obst und Gemüse mit weniger als 7 Prozent, hierzu gibt es keine konkrete Angabe.

Mit dieser Idee soll umweltfreundliches Verhalten gesteuert werden, das ist völlig klar. Klar ist aber auch, dass in der Politik öfter mal sog. Lenkungssteuern eingesetzt werden, die sinnvolles Verhalten der Bürgerinnen und Bürger unterstützen sollen. Zwei Beispiele: Um den Verkauf von sog. Alkopops an Jugendliche zu reduzieren, wurde 2004 eine Sondersteuer eingeführt, die viermal so hoch war wie die ansonsten übliche Branntweinsteuer. Daraufhin ging der Absatz von Alkopops um bis zu 80 Prozent zurück. In den letzten Jahren wurden zudem die Steuern auf Tabak stetig erhöht, um die Verbraucher zum Nichtrauchen zu bewegen. Mittlerweile zahlt man auf eine Packung Zigaretten 75 Prozent Steuern. Ob der Zigarettenkonsum wirklich zurückgegangen ist, darüber gibt es keine Klarheit, weil sehr viel unkontrollierte Schmuggelware auf dem Markt ist. Allerdings ist die Zahl der Rauchenden zwischen 18 und 25 Jahren stark rückläufig.

Steuern bzw. Steuersätze sind also nicht in Stein gemeißelt, sondern können vom Gesetzgeber variabel geändert werden, wenn z. B. eine Lenkungswirkung erzielt werden soll. Man kann aus meiner Sicht über jeden politischen Vorschlag diskutieren, wenn man sich die Zeit nimmt, die Hintergründe und Konsequenzen dieses Vorschlags zu verstehen. Im Falle des UBA ist das in unserer schnellen Mediengesellschaft leider nicht passiert. Stattdessen hat bei vielen Kritikern reflexartiges und skandalisierendes Nein-Sagen eine sachliche und ausführliche Auseinandersetzung mit der Idee der erhöhten Milch- und Fleischsteuer leider verhindert. Ich persönlich wünsche mir eine Politik, in der Vorschläge erst mal komplett angehört und dann kritisch-konstruktiv begleitet werden.

 

Die Gemeinwohlökonomie – eine gute Alternative zum Kapitalismus?

Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2010 wünschen sich fast 90 Prozent der Befragten in Deutschland eine alternative Wirtschaftsordnung. [1] Der entfesselte Kapitalismus, der weder vor sozialen noch ökologischen Fragen Halt macht, verunsichert die Menschen. Vielen ist zudem mittlerweile klar, dass das exponentielle Wirtschaftswachstum nicht unendlich weitergehen kann. Exponentielles Wachstum wird u. a. dadurch definiert, dass in immer kürzeren Zeitspannen immer mehr und immer schneller produziert werden muss, um das Niveau zu halten.

Die Suche nach einer alternativen Wirtschaftsordnung wird daher immer drängender. Kann die Gemeinwohlökonomie diese Lücke füllen?
Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) wurde vom Österreicher Christian Felber entwickelt, wenngleich der Begriff des „Gemeinwohls“ viel älter ist und sich unter anderem in der bayerischen Verfassung wiederfindet. Als eine Bewegung von unten nach oben, so begreift sich die GWÖ. Nicht als kompletter Umsturz des Wirtschaftssystems, sondern quasi als Stein, der ins Wasser geworfen wird und dort seine Kreise zieht. Zentral für die GWÖ ist der Gedanke, dass nicht mehr Konkurrenz, Verdrängung und Gewinnstreben das wirtschaftliche Handeln der Unternehmen dominieren, sondern Kooperation und Gemeinwohlstreben. [2] So sollen die Grundwerte gelten, die auch private Beziehungen gelingen lassen: Wertschätzung, Vertrauensbildung und Solidarität. Der Staat soll die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen, die ihre Ziele in die eben genannte Richtung verschieben, belohnt werden. Die Belohnung kann z. B. niedrigere Steuern, günstigere Kredite oder Vorzüge bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bedeuten.
Wirtschaftlicher Erfolg wird anders als heute üblich definiert, nämlich dahingehend, was für das Gemeinwohl, die Lebensqualität und die Bedürfnisbefriedigung der Bürgerinnen und Bürger erreicht wird. Jedes Unternehmen erstellt am Ende des Jahres eine Gemeinwohl-Bilanz, die sich an der Gemeinwohl-Matrix orientiert. [3] Hier werden Werte wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung bilanziert. Als „win-win-Situation“ beschreibt GWÖ-Ideengeber Christian Felber, dass durch die Abkehr vom Wachstumsfetisch viele kleinere Unternehmen in allen Branchen einander solidarisch helfen können und dafür noch belohnt werden.
Inhalt der GWÖ sind noch viele weitere Unter-Ziele, wie z. B. die Begrenzung der Einkommen und Erbschaften und die Forderung, dass Natur kein Privatbesitz sein darf. Zudem wird auf die Verringerung der Umweltzerstörung hingearbeitet. Auch die Erwerbsarbeit soll mittelfristig auf 20-30 Stunden reduziert werden, damit genug Zeit für Pflegearbeit, Freiwilligendienste und die Persönlichkeitsentwicklung bleibt. Weiterhin soll die repräsentative Demokratie durch direktdemokratische Elemente ergänzt werden und die Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge (z. B. Wasser) dürfen nicht privatisiert werden.
Alles in allem soll die Gemeinwohlökonomie ein laufender, nie abgeschlossener Prozess sein, in den sich Menschen stets mit ihren Ideen einbringen können.
Eine gute Alternative zum herrschenden Kapitalismus? Was meinst Du?

[1] http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/umfrage-buerger-wollen-kein-wachstum-um-jeden-preis/
[2] http://www.christian-felber.at/schaetze/gemeinwohl.pdf
[3] https://ecogood.org/de/gemeinwohl-bilanz/gemeinwohl-matrix/